1920 | Titelbild Clarte 20.6.1923
Mitarbeit an "Clarté"
In der Edition du Sablier Veröffentlichung von „Un Fait divers“ (8 Holzschnitte, in zwei Reihen auf ein Blatt gedruckt) und des Romans in Bildern „Histoire sans Paroles“ (60 Holzschnitte); in Paris erscheint im Verlag Ollendorff „Idée“ (83 Holzschnitte); die Reihe der großen Einzelholzschnitte beginnt mit „Les Fumées“; im Kurt Wolff Verlag erste deutsche Ausgabe von „Mein Stundenbuch“; Kasimir Edschmid veröffentlicht in Berlin den Band „Politische Zeichnungen“ mit 49 Reproduktionen von Zeichnungen aus „La Feuille“; Ausstellung in der Buchhandlung Kundig in Genf; Freundschaft mit Georg Reinhart in Winterthur; Beginn der Mitarbeit an „Clarté“.
Brief an Romain Rolland vom 21. Februar
„Ein neuer Bilderroman, an dem ich arbeite und den ich gerne in einer allen Geldbeuteln zugänglichen Art veröffentlichen würde. Er heißt IDEE – ihre Geburt – ihr Leben – ihr Tod. Er zeigt die Idee, geboren in Gestalt einer kleinen Frau im Gehirn eines Menschen, ihre Abenteuer im modernen Leben, und dann ihr Tod, denn sie wird von einer anderen Idee ersetzt. Das ist in meiner Arbeit eine ganz neue Sache, was die Komposition betrifft. Ich bin damit zufrieden, bisher.“ (Paris, Bibliothèque Nationale)
Brief an A. Gondin vom 10. April
„Ich glaube, dass das Schöne, richtig verstanden, eine fast individuelle Sache ist. Expressionismus! Ich selbst weiß nicht, was das heißen kann, und ich beschäftige mich nicht damit. Ich denke, alle großen Künstler seit den zurückliegendsten Zeiten waren ‚Expressionisten‘ ihrer Epoche und ihres Temperaments.“ (Frans-Masereel-Stiftung, Saarbrücken)
Henry van de Velde über „Les Morts parlent“
„Ganz selbstverständlich erscheint es mir, diese Illustrationen mit Plakaten zu vergleichen, weil mich der Gedanke verfolgt, dass sie Brandmauern von dreißigstöckigen Häusern bedecken, dass sie auf die weiße Fläche gigantischer Transparente projiziert oder auf riesigen Schildern abgebildet einem Revolutionszuge vorangetragen werden könnten.“ („Genius“, 2. Jg. 1. Buch, S.59)
Felix Stössinger: Ein Zeichner gegen den Krieg
„In Genf erschien eine französische Zeitung gegen den Krieg. Fast jeden Tag brachte sie ein Blatt von Masereel, das im besten Sinne des Wortes Tendenzkunst war. Masereel schuf dort eine Kunst, die die Mitte hält zwischen Illustration, freier Zeichnung und Karikatur. (…) Künstlerisch werden die Blätter die Leser der „Freien Welt“, die sich wohl schon zum Teil an moderne Kunst gewöhnt haben, nicht zu sehr befremden. Und wenn ja, dann müssen diejenigen, die den ernsten Willen haben, das revolutionäre Leben auch in der Kunst zu begreifen, ihr Möglichstes tun, um zuerst hinter den Sinn und dann auf die Schönheit der Blätter zu kommen. (…) So wie der Franzose Barbusse der stärkste Dichter gegen den Krieg ist, ist der Belgier Masereel der stärkste Zeichner gegen den Krieg. Schon aus diesem Grunde darf er dem deutschen Proletariat länger kein Fremder bleiben.“ („Die Freie Welt“ (Berlin), 2. Jg. 5.12.1920, zit. N. Ausst.-Kat. Berlin 1979, S. 33)
Kritische Besprechung der Bände der „Editions du Sablier“ durch Paul Westheim
„Man kennt auch in Deutschland die Serie kleiner weißer Bücher der ‚Editions du Sablier‘ (Genf), in denen noch in der Stunde der Gefahr eine aus der Zeit ragende Künstlerjugend ihr Bekenntnis zum guten Europäertum abzulegen vermochte. (…) Alle diese Bände sind ausgestattet mit Holzschnitten von Masereel. Masereel, das bestätigen besonders die Illustrationen zu dem Paquebot Tenacity, einem simplen, untypisch und realistisch gesehenen Liebeskonflikt, ist Zweckkunst, der Ethos einer Gesinnung mehr nutzt als gestaltet, Zweckkunst waren mittelalterliche Altarmalereien, waren die Dekorationen Bouchers für das Boudoir der Pompadour auch; die Intensität ihrer Wirkung erlangten sie wie auch Daumier, wie auch Grosz durch den Elan künstlerischer Ausprägung. Masereel fehlt dieser Elan, daher bleibt er in seinen Wirkungen gehemmt und bedingt.“ („Das Kunstblatt“, 4. Jg. 1920, S. 351)