1929 | Pêcheur au panier (Gemälde, 1929)

1929 |  Pêcheur et sa femme (Zeichnung, 1929)

Retrospektive in Mannheim

Masereel erhält Anfang des Jahres wieder einen belgischen Paß; bei Kurt Wolff in München erscheint die Holzschnittsammlung „Gesichter und Fratzen“; G. F. Hartlaub organisiert in der Städtischen Kunsthalle Mannheim die erste umfassende Ausstellung des Werks; der Katalog enthält auch das erste Verzeichnung des graphischen Werks, bearbeitet von H. C. von der Gabelentz.

Brief an Romain Rolland vom 4. Januar

“Von meinen Eltern abgesehen werde ich froh darüber sein, die kleinen Städte und das flache Land Flanderns wiederzusehen. Aber die Belgier? Sie sind mir vollständig gleichgültig. Auch ich vergesse gewisse Dinge nicht, und Sie wissen, dass ich keine patriotische Ader habe. Das ‘Vaterland’, ich habe es in mir, es begleitet mich überall.” (Paris, Bibliothèque Nationale)

G. F. Hartlaub im Katalog der Ausstellung in Mannheim

“Hat der Künstler sich ganz verwandelt, seit er allsommerlich in Boulogne s/mer den Dunst und Geruch des Meeres, das Gewirr der Schiffsmasten und Schornsteine, das warme Dunkel der Schifferkneipen, den breiten Gang der Fischer und Seefahrer sich wieder neu erobert? Gewiß, Krieg und Inflation, dies lähmend Gegenwärtige, furchtbar Aktuelle sind vorüber. Beruhigung hat sich auch anderen Künstlern mitgeteilt. Aber Frans Masereel hat sich nicht ‘umgestellt’, wie so Manche in den letzten Jahren; seine scheinbare Wandlung ist nur Selbstentfaltung, deutlicheres Erkennenlassen des eigentlichen Wesenskerns. (…) Wohl hat er Mitleid und Hass anklingen lassen, als die Zeit solche Empfindungen gebieterisch forderte, aber er ist dabei weder zynisch und sadistisch geworden, wie so Mancher in Deutschland, noch moralisch oder sentimental, denn im Grunde muß er das Leben selbst in seinen verworfensten Gestalten immer noch anbeten, statt es mit der Gesinnung des Moralisten ganz zu verdammen.”

Aus einer Besprechung der Ausstellung von E. Dürr

“Die Ursache für diese geradezu sensationelle Wirkung eines so stetigen, Velleitäten und Absonderlichkeiten abholden Künstlers, wie Masereel, lag nicht nur in der Überraschung für viele, den ihnen als Graphiker wohlvertrauten Künstler plötzlich mit einer bedeutenden Zahl gewichtiger Gemälde dominierend vor sich zu sehen, sie ergab sich noch mehr aus dem jähen Bewußtwerden der zentralen Stellung Masereels als Künstlerpersönlichkeit im Geist unserer Tage, die gerade in der Gesamtschau sich kundgibt. (…) Ein Einwand vielleicht die neue Thematik der meisten Ölbilder: Fischerdorf und volkstümlich robuste Fischergestalten. Ist das nicht Resignation, Flucht aufs Land? Vielleicht, aber jedenfalls ohne Romantik und Ressentiment. (…)” (“Der Cicerone”, 21. Jg. 1929, S. 683/684).


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