1936 | Le front populaire

Dreimonatige Reise in die Sowjetunion

Ausstellungen in Paris und London; zweite, diesmal dreimonatige Reise in die Sowjetunion.

Brief an Romain Rolland vom 18. Mai

“Im Augenblick beschäftige ich mich sehr mit all den Fragen, die sich die Maler stellen, dort und hier. All dies ist ziemlich kompliziert. Realismus, Formalismus etc. Hier arbeiten die Maler nur für eine gebildete Elite, die (angeblich) in der Lage ist, Kunstwerke zu genießen, die keinerlei Beziehung mehr zur Wirklichkeit haben. Dort, in der UdSSR, triumphiert als Reaktion darauf die Kunst der Postkalender (im allgemeinen). Meine Meinung zu dieser Frage führt dazu, dass ich ziemlich isoliert bin. Ich möchte, dass meine Arbeit einerseits einen gebildeten Menschen zufriedenstellen kann, andererseits aber auch den Mann von der Straße. In der Literatur gibt es recht viele Beispiele für diesen Erfolg. In der bildenden Kunst kenne ich keine.”

Brief an Romain Rolland vom 29. September

“Vollständig begeistert von unserem Aufenthalt in der UdSSR, wo ich dieses Mal nicht eingeladen war und folglich leben und reisen konnte wie ein gewöhnlicher Bürger. Dieses Mal habe ich tiefer geblickt und da ich mir auf russisch ziemlich gut zu helfen weiß, glaube ich, sagen zu können, dass ich eine Menge gelernt habe. Was für menschliche Erfahrungen, was für Entdeckungen dort! (…) Nach dem, was ich dort gesehen habe, ist meine Bewunderung für die Menschen, die sich in den Kopf gesetzt haben, dieses Land zu verändern, nur gewachsen.” (Beide Briefe Paris, Bibliothèque Nationale).

Frans Masereel

“Dank der Vermittlung Romain Rollands, der Gorki sehr gut kannte, sollte ich diesem gleich nach meiner Ankunft in Moskau begegnen. Als ich den Zug verließ, hörte ich, Gorki sei einen oder zwei Tage zuvor gestorben. So habe ich also nicht das Glück gehabt, ihn noch bei Lebzeiten zu sehen. Man händigte mir aber eine Sondergenehmigung aus, durch die ich Gelegenheit hatte, ihn auf seinem Sterbebett zu zeichnen, als er im Säulensaal des Gewerkschaftshauses aufgebahrt lag. Ich hatte zwei oder drei sowjetische Offiziere zur Seite und mein Skizzenbuch in Händen – so zeichnete ich sein aus einer Fülle von Blumen herausschauendes Antlitz, und ich erinnere mich, dass genau in diesem Augenblick Stalin die Ehrenwache bezog.” (Gespräche 1967, S. 131).

Über den Bürgerkrieg in Spanien in einem Brief an Romain Rolland vom 12. November

“Seit meiner Rückkehr hierher denke ich ständig an Spanien, alle unsere Genossen hier und überall denken nur an und reden nur über Spanien. Wir sind sehr unruhig. Die letzten Nachrichten sind beunruhigender, ich denke mehr und mehr, dass sie nicht nur Madrid nicht einnehmen werden, sondern auch, dass sie bald zum Schweigen gebracht werden. Die französische Presse war und ist wahrlich abscheulich.” (Paris, Bibliothèque Nationale).


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