1964 | Das Gesicht Hamburgs

1964 | Das Gesicht Hamburgs II

Kulturpreis des DGB

Reisen nach Hamburg und nach Ungarn, wo das Museum der schönen Künste in Budapest eine große Ausstellung veranstaltet; gemeinsam mit Ernst Bloch erhält Masereel den Kulturpreis des Deutschen Gewerkschaftsbundes, gestiftet „als ein Bekenntnis aller schaffenden Menschen zu unserer Kultur, in Erkenntnis ihrer schöpferischen Bedeutung für die Gesellschaft und deren Entwicklung, in der Überzeugung, dass kulturell und materiell Schaffende solidarisch verbunden sind.“ (Stiftungsurkunde); die Folgen „Route des Hommes“ und „Das Gesicht Hamburgs“ erscheinen.

Camille Huysmans über „La Route des Hommes“

“Ihre sechzig Holzschnitte sind nicht nur das Werk eines Künstlers, den wir kennen und der das Ende unseres Jahrhunderts schmücken wird, sondern sie bilden zugleich auch einen revolutionären Beitrag, der das Ende unserer sozialen Hölle kennzeichnet. Der Künstler treibt Politik auf seine Weise: Es geht ihm darum, eine andere Welt zu erschaffen als die, die wir bereits kennen.” (Brief v. 30.7., Frans-Masereel-Stiftung, Saarbrücken)

Aus der Rede Masereels zur Verleihung des Kulturpreises des Deutschen Gewerkschaftsbundes am 30. Oktober in Düsseldorf

“Um es kurz zu machen, führe ich ein zweites Wort Goethes ins Feld. Beide ‘zum Sehen geboren’, und ich möchte hinzufügen, mit der schärfsten Brille, nicht aber ‘zum Schauen bestellt’, jedenfalls nicht allein dazu, sondern zuzupacken, mitzugestalten und zu verändern, den Blick, den Kopf und etwas mehr. Vielleicht sind auch unsere Werkzeuge nicht so ungleich, Verstand und Messer müssen geschliffen sein, wie der Witz. (…) Ich habe immer geglaubt, dass der Künstler sich selbst treu bleiben soll und dabei unentwegt versuchen muß, mit den Menschen, den tätigen Menschen, eines Herzens, eines Geistes zu sein. Keine Überheblichkeit! Kein Elfenbeinturm! Nein, Mitgefühl.” (Nach H. W. Sabais (Hg.): Auf dem Weg zu einer gesellschaftlichen Kultur. Frankfurt a.M. 1971, S. 249 u. S. 251/252)

Aus der Rede Ernst Blochs

“Masereel zeichnete das Gezeichnete in dieser Welt so dicht wie wenige. Mit Klage, die allemal eine Anklage ist, mit seltenem, oft wie vorgemaltem Glück dazu, von dem her nun das Grauen erst recht gemessen wird. Anders gesagt: diese Graphik, mit der mit Stolz ich mich in eine Reihe stelle, diese Art Graphik stößt und rebelliert gegen den äußeren Druck im selben Akt, womit sie ihn überschreitet. Sie überschreitet ihn hell, indem sie finster gegen Elend und Schranken stößt. Das unbestechliche Schwarzsehen ist hier ebenso regierend wie die Lichtgebung, und beides steht sich bei. Das Schwarzsehen, das unbestechliche, kommt aus einem Gewissen des Lichtes, und das Licht ist infolgedessen keine Schönfärberei, sondern eine Vorahnung und ein Stück Hoffnung, in der keinerlei Phrase ist und kein Pathos, die vielmehr selbst fruchtbare Skepsis fortenthält. Sonst wäre sie ja nicht Hoffnung, sondern Zuversicht, sonst wäre sie nicht Pioniertum, sondern würde die Hände in den Schoß legen und auf die ohnehin vordringende Gesetzmäßigkeit zum Reich der Freiheit vertrauen. Das aber würde nicht Hoffnung, sondern eben eine notwendig kampflose Zuversicht, und von dieser ist in dem bitteren Werk, dem bitterhellen Werk von Frans Masereel so wenig wie in einer konkreten Philosophie der Hoffnung die Rede.” (Nach H. W. Sabais (Hg.) 1971, S. 241/242)


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