1935 | Masereel / Arcos / Brecht / Tretjakow (Moskau 1935)

1935 | Capitale  (Zeichnungen Nr.4)

1. Reise in die Sowjetunion

Der Band „Capitale“ (66 Zeichnungen) erscheint in Paris; erste Reise in die Sowjetunion; Ausstellungen in Moskau und Tiflis; 1935 und 1936 Mitarbeit an „Vendredi“.

Masereel

“Bei Delacroix ist es nicht allein die Farbe, die mich bewegt. Das ‘Jüngste Gericht’ von Michelangelo berührt mich stärker als die Arbeit eines Tapezierers. Der Gefühlsgehalt, ist er nicht das zusammengesetzte Ergebnis aller Elemente des Bildes: Thema, Formen, Farben? Der Maler darf nicht ein Mann des Laboratoriums sein, der nur für seine Kollegen arbeitet, die allein imstande sind, die Farbbeziehungen zu beurteilen, etc. (…) Der Realismus entsteht nur aus einer gewissen Erfindung des Künstlers. Der Geist des Malers muß gewisse Dinge klären, und sie nur geklärt übermitteln.” (“Commune”, Nr. 21 v. Mai 1935, S. 959).

Brief an Romain Rolland vom 7. Mai aus Moskau

“Wie Faust würde ich meine Seele allen Teufeln verkaufen, um nicht älter als 20 Jahre zu sein. Ich bin sicher, wenn Sie hier wären, dächten Sie wie ich. Man hat mich hier sehr, sehr herzlich empfangen und seitdem lebe ich in einem unmöglich zu beschreibenden Wirbel. Ich schlafe nicht mehr als 4 bis 6 Stunden jede Nacht. Ich zweige von meinem Schlaf die Zeit ab, die notwendig ist, Zeichnungen zu machen, um die man mich 3 Mal täglich bittet.” (Paris, Bibliothèque Nationale).

Masereel im Gespräch mit Heinrich Vogeler

“Ihr nennt mich in Moskau einen revolutionären Künstler. In Paris ist wenig Verständnis für meine Kunst unter den Berufsgenossen. Viele Pariser Künstler halten sich für revolutionär, wenn sie die Form verändern; sie sind in einer Sackgasse. Sie malen abstrakt. Sie trennen Politik und Kunst. Sie fürchten sich vor der Wirklichkeit. Tendenziöse Kunst ist für sie keine Kunst. Sie vergessen, was für eine reiche Blüte beispielsweise die tendenziöse Kunst des Mittelalters hervorbrachte. Viele dieser französischen Künstler haben eine lächerliche Angst vor dem Verlust der künstlerischen Individualität durch den Kommunismus. (…) In den verschiedenen Ausstellungen über Sowjetkunst sah ich aber noch zu wenig vom sozialistischen Realismus. Viel zu häufig fand ich noch einen photographischen Naturalismus. Ich sah bei manchen Künstlern viel Talent und gute Technik, aber sie gehen nicht in die Tiefe und so bleibt oft nur eine oberflächliche Abmalerei. Sie malen einen Arbeiter genauso wie sie einen Apfel auf einem Teller malen.” (“Deutsche Zentral-Zeitung” (Moskau) v. 22.5.1935).


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